Entkoffeinierter Kaffee genießt in den meisten Kreisen nicht unbedingt einen guten Ruf. Die Reaktionen, wenn man Gästen einen Kaffee ohne Koffein anbietet, fallen häufig ganz ähnlich aus. „Was, der schmeckt doch nicht!“ oder „Den trinkt doch sonst immer nur meine Oma“ sind da nur einige Beispiele. Dabei wissen sie gar nicht, wie gut entkoffeinierter Kaffee eigentlich schmecken kann.
Unser Gastautor Max Reinhard von ohne.coffee hat sich dem Thema einmal angenommen und nimmt uns mit auf die Reise in die Welt von Kaffee ohne Koffein. Das erwartet dich hier:
Inhaltsverzeichnis
Was ist Koffein?
Koffein ist eine in der Natur existierende chemische Verbindung, welche unter anderem auch in der Kaffee-Pflanze enthalten ist. Daher entstammt auch der Name Koffein (oder Coffein), denn die chemischen Eigenschaften und die Wirkungsweise von Koffein sind erstmals im Detail am Beispiel der Kaffeepflanze untersucht worden. Das reine Koffein, welches sich als weißes, geruchloses Pulver darstellt, konnte zu Beginn des 19. Jahrhunderts erstmals aus einer Kaffee-Pflanze extrahiert werden. Koffein kommt jedoch nicht nur in der Kaffee-Pflanze vor. Auch Teeblätter, Kakaobohnen, Guarana-Beeren oder Kolanüsse enthalten den Muntermacher!
Über die Entstehungsgeschichte von entkoffeiniertem Kaffee
Wie man überhaupt auf die Idee kam, Kaffee zu entkoffeinierten? Nun, das ist wirklich eine recht kuriose Geschichte. Vor rund 120 Jahren, 1903, starb der Vater des Bremer Kaffeehändlers und späterem Gründer von „Kaffee HAG“ Ludwig Roselius, welcher einen übermäßigen Kaffeekonsum für das Ableben seines Vaters verantwortlich machte.
Als Reaktion darauf experimentierte er mit verschiedensten Methoden und entwickelte das später nach ihm benannte Roselius-Verfahren. Bei diesem Verfahren, welches heute undenkbar wäre, quellte er die ungerösteten Kaffeebohnen in Salzwasser auf, ehe er anschließend Benzol verwendete, um das Koffein zu extrahieren.
Glücklicherweise ist die Wissenschaft heute fortgeschrittener als noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Inzwischen gilt Benzol als krebserregend und das Verfahren nicht mehr angewendet. Dafür hat die Branche zahlreiche neue Methoden entwickelt, um den Bohnen das Koffein zu entnehmen.
Warum wird Kaffee entkoffeiniert?
Der überwältigende Anteil der Deutschen liebt Kaffee – es ist sogar noch vor Wasser das am meisten konsumierte Getränk. Doch nicht jeder hat das Glück Kaffee grenzenlos und ohne schlechtes Gewissen zu konsumieren. Gesundheitliche Gründe, körperliche Veränderungen, Unverträglichkeiten oder persönliche Empfindungen und Lebensweisen verhindern den übermäßigen Konsum von Koffein.
Eines dieser Beispiele ist das Thema Schwangerschaft. Eine Tasse koffeinhaltiger Kaffee pro Tag ist hier zwar kein Problem, hat man aber vorher aus Gewohnheit viel Kaffee getrunken, ist entkoffeinierter Kaffee eine gute Alternative, um auch während der der Schwangerschaft und der Stillzeit sein Lieblingsgetränk zu konsumieren.
Leider gibt es auch viele Menschen mit einer Koffeinunverträglichkeit oder gar einer Koffeinallergie, die nicht in den Genuss von qualitativ hochwertigen Kaffee kommen können. Sie reagieren mit Herzrasen, Bauchkrämpfen und Schwindel auf den Wachmacher und wünschen sich eine Alternative zu Tee.
Und wenn man sich mal genau umsieht, kann man ganz viele persönliche Momente beobachten, in denen Menschen bewusst auf Kaffee verzichten: Arbeitnehmer, die aus Routine am Nachmittag noch Lust auf einen Kaffee haben, aber abends beim Sport überdrehen, wenn sie ihn trinken. Genießer, die zum Abschluss eines leckeren Menüs ihren Espresso lieben, aber nachts nicht mehr schlafen können. Die Motive sind vielfältig.
Deshalb gibt es immer mehr Anbieter auf dem großen Kaffeemarkt, die versuchen qualitativ hochwertigen Kaffee so zu entkoffeinieren, dass der Spagat zwischen 0,1% Koffein und 100% Kaffeegeschmack gelingt.
Auf welche Weise wird Kaffee entkoffeiniert?
Im Folgenden wollen wir zwischen dem Koffeinentzug MIT und OHNE Lösungsmitteln unterscheiden. Erstere werden auch als chemische Methoden bezeichnet, da hier Dichlormethan und Ethylacetat verwendet werden. Die Verfahren ohne Lösungsmittel nennt man als Kontrast dazu auch natürliche Methoden.
Koffeinentzug mit Lösungsmitteln:
Wie bei allen Verfahren werden die Kaffeebohnen vor der eigentlichen Extraktion vorbehandelt. Im Falle des sogenannten direkten Verfahrens mit Wasserdampf. So quellen die Bohnen auf wie ein Schwamm, die Poren werden weiter und das Koffein kann so einfacher entweichen. Anschließend werden, bei der direkten Methode, die Bohnen für ganze 10 Stunden in Dichlormethan oder eben Ethylacetat gelagert. In diesem langen Prozess wird das Koffein entfernt, ehe sie für weitere 10 Stunden in einer Kammer getrocknet werden.
Gerade dieser Schritt ist extrem wichtig, wenn mit Chemikalien gearbeitet wird, da der Verbraucher ungern große Mengen an Chemie in seinem Kaffee haben möchte. Zumal Dichlormethan in sehr großen Mengen krebserregend sein kann.
Beim indirekten Verfahren wird mit heißem Wasser so ziemlich jede Komponente aus den Rohbohnen herausgelöst, die wasserlöslich ist. Es entsteht eine flüssige Lösung, aus der anschließend mit den uns bereits bekannten Chemikalien Dichlormethan und Ethylacetat das Koffein herausgelöst wird. Man behandelt also nicht unmittelbar die Kaffeebohnen, sondern ein Extrat aus eben solchen. Anschließend wird die entkoffeinierte Lösung zusammen mit den Kaffeebohnen erhitzt und es wird NUR noch das Koffein aus den Bohnen entfernt – nicht die Flüssigkeit. Spannend, oder?
Koffeinentzug ohne Lösungsmittel
Während die großen Kaffeemarken auch heute noch mit den chemischen Verfahren arbeiten, verwenden junge Unternehmen eher eine der sogenannten natürlichen Methoden. Diese sind viel schonender und es bleibt um ein Vielfaches mehr der klassische Kaffeegeschmack erhalten als bei einer Behandlung mit Etyhlacetat oder Dichlormethan.
Beginnen wir mit dem Swiss Water Process, welcher dem bereits beschriebenen indirekten Verfahren relativ ähnlich ist. Bei diesem patentierten Prozess werden die Bohnen mit heißem Wasser behandelt, bis das gesamte Koffein herausgelöst wurde. Anschließend werden alle (!) Bohnen, die diesen Schritt hinter sich haben entsorgt. Nun läuft das Wasser mit dem herausgelösten Koffein durch einen Aktivkohlefilter. Die Lösung ist nun koffeinfrei und ihr wird eine neue Charge Kaffeebohnen hinzugefügt. In diesem Schritt wird nur das Koffein gelöst und die meisten der über 600 aromabildenden Inhalte der Kaffeebohne bleiben erhalten. Dieser Prozess wird so lange wiederholt, bis der gewünschte Grad der Entkoffeinierung erreicht ist.
Übrigens: In Deutschland darf ein Kaffee nur dann als entkoffeiniert bezeichnet werden, wenn er weniger als 0,1% Koffein enthält. Ganz schön viel Wasser!
Das zweite weit verbreitete Entkoffeinierungsverfahren ist die sogenannte CO2-Methode. Auch hier werden die rohen, ungerösteten, Kaffeebohnen vor der eigentlichen Entkoffeinierung in einen sehr großen Tank gegeben und mit Wasserdampf und Wasser befeuchtet. Diese Vorbehandlung ist wichtig, da sonst das flüssige Kohlendioxid nicht seine gewünschte Wirkung entfalten kann.
Nach einer kurzen Wartezeit wird die Kammer unter Druck gesetzt und das unterkritische, flüssige CO2 wird hinzugefügt. Während des gesamten Vorganges werden die Bohnen nicht beschädigt oder aufgebrochen. Durch die Vorbehandlung besitzen die Rohbohnen eine erhöhte Feuchtigkeit, sodass das Koffein einfach herausgelöst werden kann. Wenn das Gemisch aus der Kammer herausgeleitet wird und verdampft, „fällt” das Koffein quasi aus der Luft in einen Behälter und kann an Drittanbieter weiterverkauft werden.
Fällt Koffeingehalt jetzt unter 0,1% wird der redundante Zyklus gestoppt und die Rohbohnen werden in einen Trockentank entladen, wo sie schonend getrocknet werden. Hier erreichen die Bohnen den ursprünglichen Feuchtigkeitsgehalt und sind röstfertig. Dieses Verfahren ist besonders gut geeignet, da die für das Aroma und den Geschmack verantwortlichen Komponenten praktisch intakt bleiben, das Verfahren absolut natürlich ist und somit auch gesundheitlich unbedenklich ist.
Woran erkennt man guten entkoffeinierten Kaffee?
Entkoffeinierter Kaffee ist in der Regel immer ein wenig milder als die Röstungen mit Koffein. Das soll aber den Geschmack in keiner Weise schmälern! Wie bei allen Kaffees kommt es auch beim entkoffeinierten Kaffee in hohem Maße auf die Qualität des Grundprodukts an. Hochwertige Kaffeebohnen aus nachhaltigem Anbau schmecken nach der Entkoffeinierung durch eine der natürlichen Methoden immer noch wie ein richtig guter Kaffee. Einige Röstungen können sogar ohne Weiteres als Specialty Coffee durchgehen.
Die Bohnen, die mit einem chemischen Verfahren ihr Koffein verlieren, sind in der Regel ohnehin von minderer Qualität, da die großen Industrieröster den Fokus eher auf Masse legen als auf ein hochwertiges Endprodukt.
Ist koffeinfreier Kaffee gesund?
Klare Antwort: Jein. Im Grunde sind alle vorgestellten Entkoffeinierungs-Methoden gesundheitlich vollkommen unbedenklich. Jedoch bleibt bei den chemischen Verfahren immer der Grundgedanke, dass da etwas in der Tasse ist, was da eigentlich nicht hingehört. Ungesund ist also kein Kaffee auf dem „entkoffeiniert“ steht.
Auf der anderen Seite hat entkoffeinierter Kaffee auch keine richtig positive Wirkung auf den Körper. Er hat eine 23% geringere Wirkung auf den Stoffwechsel des menschlichen Körpers, also wer auf die „Nebeneffekte“ des Kaffeekonsums Wert legt, dem sei eher ein koffeinhaltiges Heißgetränk ans Herz gelegt.
Wer ohne Kaffee aber gar nicht mehr in den Gang kommt und pro Tag mehr als fünf Tassen, der aktuelle Richtwert wie viel Kaffee für den Körper nicht schädlich ist, zu sich nimmt, sollte sich vielleicht mal Gedanken über entkoffeinierten Kaffee machen. Zumindest am Nachmittag.
Koffeinfreier Kaffee – ein Fazit
Koffeinfreier Kaffee besitzt zu Unrecht ein Dasein in der Mottenkiste. Zahlreiche innovative Unternehmen polieren seit einiger Zeit das Image von Kaffee ohne Koffein gehörig auf und ermöglichen den Verbrauchern qualitativ hochwertigen Kaffeegenuss unabhängig von der Tageszeit und der aktuellen Situation.
In unserer heutigen Zeit muss keiner Mehr auf guten Kaffee mehr verzichten. Egal ob Schwanger, Leistungssportler, Arbeitnehmer, Kaffeegenießer oder Allergiker. Natürlich entkoffeinierter Kaffee aus hochwertigen Rohbohnen und einer handwerklich anspruchsvollen Röstung stehen koffeinhaltigem Kaffee in nichts nach und sind eine interessante Alternative für alle, die auch spät abends noch eine Tasse des schwarzen Goldes zu sich nehmen wollen.
Über den Autor
ohne.coffeeMax’ Website:Erstellt am: 01. Dezember 2020
Darf’s noch etwas mehr sein?