“Der Moment, wenn das Wasser auf das Kaffeemehl trifft und sich verbindet, ist für mich magisch.” – Interview mit Tolga Daglum von onetake coffee

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Beerenweg 6 in Hamburg: Wir sind auf einem Barista-Event eingeladen. Viele Instagramer aus ganz Deutschland – zum Teil mit über 50.000 Followern – sind heute gekommen, um unter anderem diesen Mann und seinen Kaffee kennenzulernen: Tolga Daglum.

Tolga steht vor seinem matt-schwarzen Probat Probatone 12 Kilo Röster. Seine Augen funkeln, wenn er über Coffea Arabica, Coffee Canephora und über die außergewöhnlich hohe Qualität seiner Rohkaffeebohnen spricht. Kaum ein anderer kennt die Specialty Coffee Szene in Deutschland so gut wie Tolga. Er hat die Entstehung der Third Wave Kaffeekultur in Deutschland von Beginn an hautnah miterlebt.

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Seine Passion für guten Kaffee entwickelte er als Head Barista bei Black Delight. Bei Quijote Kaffee – Deutschlands einziger Rösterei, die ausschließlich direkt importierte Kooperativen-Kaffees röstet – sammelte er weitere wertvolle Erfahrungen. Seit 2016 betreibt Tolga mit onetake coffee seine eigene Rösterei für Specialty Coffee. Wir haben ihm ein paar interessante Fragen gestellt.

Interview mit Tolga Daglum von onetake coffee

barista-passione.de: Wie bist du zum Kaffee gekommen? Was begeistert dich am Thema Kaffee?

Tolga Daglum: Ich habe seitdem ich 17 Jahre bin in der Gastronomie gearbeitet. Mit 23 (also vor 15 Jahren) hatte ich meinen ersten Job in einem Café an einer Siebträgermaschine. Italienischer Kaffee, Fiorenzato Maschine, Dosiermühle, Cappu mit Haube und Kakao, wie es damals halt war. Mein Kumpel Philipp von Mayr Machines, den ich dort kennengelernt habe, und ich haben damals angefangen, uns mit Kaffee und Latte Art zu beschäftigen. Wir haben das ganze Team angesteckt und nach einiger Zeit haben wir für die damalige Zeit einen guten Kaffee zubereitet.

Ich war zu der Zeit nicht sehr zufrieden in meinem Beruf als Grafiker und bekam von unserem Kaffeelieferanten das Angebot ein Café, das sie eröffnen wollten, zu leiten. Synesso Maschine, Mahlkönig Twin und ein 100% Arabica Espresso mit Äthiopien Anteil – im Jahr 2008! Ich konnte nicht nein sagen und wurde Head Barista im Black Delight.

Ich fing an, an Meisterschaften und Baristabattles teilzunehmen und war ganz und gar addicted in coffee. Irgendwann reichte es mir aber nicht mehr, nur den Kaffee zuzubereiten und stieg beim Röstkollektiv Quijote Kaffee ein. Dort war mit Pingo ein bereits erfahrener Röster, von dem ich das Handwerk des Röstens erlernen konnte.

Was mich begeistert, kann ich schwer beschreiben. Der Moment, wenn das Wasser auf das Kaffeemehl trifft und sich verbindet, ist für mich magisch. Jedes mal wieder. Es ist jedes mal anders und Du kannst Dich auf nichts ausruhen. Jeder Shot, jede Brühung, jede Röstung erfordert Deine volle Aufmerksamkeit, sonst vergeigst Du es. Das reizt mich.

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barista-passione.de: Was zeichnet deiner Meinung nach einen wirklich richtig guten Barista aus?

Tolga Daglum: Natürlich muß er sich mit dem Produkt auskennen. Den Unterschied zwischen einem Äthiopier und einem Guatemala kennen und wie mit dem jeweiligen umgegangen werden muß. Er muß das Equipment als Ganzes im Blick haben, Maschine, Mühle, Wasser, etc. und die richtigen Produkte für sein Arbeitsplatz und die Zielgruppe auswählen. Wenn ich z.B. viel ungeschultes Personal in meinem Team habe, wähle ich vielleicht nicht den filigranen Single Origin, sondern lieber einen guten Blend. Oder, wenn ich an einem high volume Standort bin, reicht in der rush hour ein Herz im Cappu und nicht die achtfach Tulpe mit Schwan.

Genauso wichtig ist mir aber auch, dass die Baristi sich nicht nur als Künstler hinter der Maschine verstehen, sondern auch gastronomische Grundkenntnisse für wichtig erachten. Fehlende Gastfreundschaft hat uns in den Anfängen von Specialty viele Kunden verschreckt. Wie serviere ich richtig, Workflow, wie baue ich ein Tresen oder Gastraum richtig auf, mis en place, haccp, … Und zuletzt, nicht zu cocky sein. Wenn jemand das Getränk etwas anders oder Zucker (kreisch) haben möchte, so what??

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barista-passione.de: Du kennst die Specialty Coffee Szene in Deutschland wie kaum ein anderer. Wenn du auf die letzten zehn Jahre zurückblickst, wirst du feststellen, dass die Speciality Coffee Family in Deutschland immer weiter wächst. Was sind die größten Treiber hinter dieser Entwicklung? Warum beschäftigen sich immer mehr Menschen in Deutschland mit Speciality Coffee?

Tolga Daglum: Der Standard in den 2000er Jahren sind anonyme, industriell gefertigte Produkte ohne einen Menschen dahinter. Ich glaube, wir wollen wieder mehr Wertschätzung in den Dingen, die uns umgeben. Produkte, die hergestellt werden, weil jemand der Meinung ist “so ist es richtig gut und gerecht” und all seine Erfahrung in die Qualität steckt und nicht in Ertrags- und Profitsteigerung. Das erklärt den Boom der Craft Szene.

Und wer im Specialty Coffee der letzten zehn Jahre dabei war, hat sich diesen Job ganz bewußt ausgesucht. Die Akteure sind glaubwürdig und haben die Philosophie immer und immer wieder unter die Leute gebracht. Wir haben viel gesät und langsam sprießt es aus allen Richtungen. Das ist sehr schön.

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barista-passione.de: Seit 2016 betreibst du mit onetake coffee deine eigene Rösterei. Für was steht onetake coffee? Und was hat dich damals dazu bewogen, onetake coffee zu gründen?

Tolga Daglum: onetake ist mein Raum, in dem ich Kaffee ganz nach meiner Philosophie präsentieren kann. Nachdem ich so lange mit Kaffee gearbeitet hatte, war das der nächste Schritt für mich, um alles erlernte auf einen Punkt zu bringen. Ich kann sagen, dass onetake auf einem sehr professionellem Niveau ausgezeichneten Kaffee röstet. Und das ist in unserer autodidaktischen Branche leider nicht selbstverständlich.

Ich präsentiere mit meinen Röstungen specialty coffee als etwas wunderbar leckeres, die jeder Zuhause mit einfachen Mitteln genießen kann. Aus meiner Sicht fordern wir von specialty-Interessierten viel zu viel ein. Wenn unsere Kaffees nicht perfekt extrahiert und genossen werden, sind wir fast schon beleidigt. Und somit schrecken wir die Kunden mit extremen Anforderungen an Equipment, Brührezepten und nötigen Schulungen von vorne herein oft ab.
Aber was ist denn falsch daran, wenn die Kunden den Kaffee wie gewohnt brühen, nur mit besseren Bohnen? Es wird auf jeden Fall besser schmecken. Und wer will, kann sich mit dem Thema beschäftigen und mehr heraus holen.

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barista-passione.de: Die Konkurrenz im Umfeld der Speciality Coffee Roasters ist mit ca. 700 Röstereien in Deutschland groß. Welche Strategien verfolgst du, um dich mit onetake coffee von der Konkurrenz abzuheben?

Tolga Daglum: Authentizität. Hinter onetake steckt kein erdachter Masterplan. Ich biete Kaffee an, so wie ich in selber genieße, in einer Wort- und Bildsprache, die meinem Geschmack entspricht und tobe mich aus, ohne an eine Cooperate Identity oder ähnliches zu denken. Das funktioniert aber nur, wenn die Arbeit gut und professionell umgesetzt wird. onetake macht Spaß und ist eine lustige Truppe, die aber immer in gewohnter Top-Qualität liefert. Egal ob Röstungen, Schulungen – wo auch immer wir involviert sind – wir liefern!

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barista-passione.de: Die Kaffeeproduktion ist durch den Klimawandel und durch Kaffeeschädlinge (Kaffeerost, Broca-Käfer) bedroht. Forscher prognostizieren, dass im Jahre 2050 die für den Kaffeeanbau geeigneten Flächen bis zu 88 Prozent schrumpfen werden. Welche Konsequenzen wird das für dich als Speciality Coffee Roaster mit sich bringen? Und wie werden sich womöglich große Rohkaffeeimporteure auf die neuen Gegebenheiten einstellen?

Tolga Daglum: Wir werden sehen. Einerseits werden wir Anbaugebiete verlieren, andererseits kommen z.B. mit China gerade neue hinzu. Eine Verknappung wird den Preis heben, vielleicht nicht unbedingt im Specialty, aber die Masse an sehr günstigen Bohnen wird etwas teurer. Im unserem Bereich wird das Wachstum des Absatzmarktes zu einer Verknappung führen, was aber wieder mehr Farmer die Möglichkeit bietet, mit höheren Qualitäten mehr zu erwirtschaften.

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barista-passione.de: Mit “The Coffee Trainer” bietest du gemeinsam mit Philipp Mayr von Mayr Machines auch Schulungen rund ums Thema Kaffee an. Was können Kaffee-Interessierte hier von euch erwarten? Wie hoch schätzt du den Bedarf nach qualifiziertem Fachpersonal in Cafés, Bäckereien und in der Gastronomie allgemein ein?

Tolga Daglum: Ein Kfz Mechaniker muss sich mit Autos auskennen. Ein Steuerberater sollte sich mit Steuern auskennen. Ein Café sollte sich… Du ahnst es! Wie wenig der Großteil der Café-Betreiber über ihr Hauptprodukt wissen, ärgert mich oft. Da sind häufig nicht mal die grundlegendsten Basics, wie Mühle einstellen vorhanden. Oder schlimme Espressi in guten Restaurants – so etwas verstehe ich nicht. Also, es besteht viel bedarf.

Philipp und ich schulen nun seit 10 Jahren und haben hunderte Schulungen gegeben. Die Inhalte haben sich nur marginal verändert. Wer einmal die Basics erlernt, profitiert lange davon. Und! Der Kaffee schmeckt danach einfach besser 🙂

barista-passione.de: Tolga, vielen Dank für das spannende Interview mit Dir!

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Erstellt am: 02. Februar 2019

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