Third Wave Coffee: Ist Kaffee der neue Wein?

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Das Bewusstsein der Menschen für hochqualitativen Kaffee nimmt in den letzten Jahren stetig zu. Immer mehr Menschen betrachtet Kaffee nicht als bloße Ware, sondern – ähnlich wie beim Wein – als reines Genussmittel. Die Art und Weise, wie mit Kaffee umgegangen und wie dieser zubereitet wird, hat sich gewaltig verändert.

Parallel ist die Anzahl der Specialty Coffee Röstereien und Third-Wave-Cafés in Deutschland Jahr für Jahr angestiegen. Third Wave Coffee ist auch in Deutschland angekommen und verändert hierzulande seit einem guten Jahrzehnt die Kaffeekultur. Doch was ist eigentlich Third Wave Coffee? Und welche Kaffeewellen existierten vor der Third Wave Bewegung? Wir klären dich auf.

Woher kommt der Begriff “Third Wave Coffee”?

Der Begriff “Third Wave of Coffee” tauchte erstmals im Jahre 2002 auf und zwar in einem Artikel eines Newsletters der Röstergilde des amerikanischen Spezialitäten-Kaffeeverbands. Die Autorin des Artikel ist Trish Rothgeb von den Wrecking Ball Coffee Roasters gewesen. In ihrem Artikel unterteilte sie die Wertschätzung des Kaffeegenusses in drei chronologisch aufeinanderfolgende Strömungen (= Waves): First Wave, Second Wave und Third Wave.

First Wave / Erste Kaffeewelle: Kaffee wird zur Massenware.

Die erste Welle kam mit der Industrialisierung: Kaffee entwickelte sich Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts zur günstig produzierten Massenware. Kaffee wurde zum Alltagsgetränk für die breite Masse der Bevölkerung. Angeschoben wurde diese erste Kaffeewelle durch die Entdeckung des industriellen Verfahrens für die Herstellung löslichen Kaffees (auch als Instant-Kaffee bekannt). Nach dem zweiten Weltkrieg stieg der Kaffeekonsum weiter an. Die Regale der Supermärkte waren gefüllt mit dunkel geröstetem, fertig gemahlenem und vakuumverpacktem Kaffee. In der Regel wurde der Kaffee als Filterkaffee getrunken. Über die Herkunft der Bohnen und die spezifischen Geschmacksaromen des Kaffees wurde der Verbraucher nicht aufgeklärt – es gab auch kaum Verbraucher, die sich ernsthaft dafür interessierten. Hauptsache Koffein!

Second Wave / Zweite Kaffeewelle: Starbucks und espressobasierte Milchgetränke erobern die Welt.

Im Jahr 1966 brachte ein Europäer – der in den Niederlanden geborene Alfred Peet – die zweite Kaffeewelle in den USA ins rollen. Peet interessierte sich im Rahmen seiner Tätigkeiten als Kaffeeröster (Peet’s Coffee & Tea) sehr stark für den Anbau und das Rösten von Kaffee. In den 70er Jahren lieferte er Kaffee an ein Unternehmen, welches maßgeblich die Kaffeekultur geprägt hat: Starbucks.

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Wenn Knöpfchendrücker als Barista bezeichnet werden: ARTE-Dokumentation über Starbucks.

Durch das Aufkommen von Starbucks und weiteren Coffee Shops in den 1980er veränderte sich das Konsumverhalten der Menschen: Espressobasierte Milchgetränke – zum Teil mit Sirup, Sahne und Schokoladen- und Karamellsoße verfeinert – begeisterten Kaffeetrinker in vielen westlichen Ländern. Jede Portion Kaffee wurde frisch zubereitet und Cappuccino, Latte Macchiato, Caffè Latte & Co. eroberten die Welt. Parallel etablierte sich auch die Take-away bzw. coffee-to-go-Kultur.

Auch das Bewusstsein für Qualität nahm während der zweiten Welle insgesamt zu. So wurde der Begriff Spezialitätenkaffee (speciality coffee) zum ersten Mal von Erna Knutsen verwendet (1974). Sie umschrieb damit Kaffees, die geschmacklich besondere Merkmale aufweisen. Einige wenige Kaffee-Enthusiasten kamen in den Genuss, einen Kaffee aus Single-Origin Arabica-Bohnen zu trinken.

Dritte Kaffeewelle / Third Wave Coffee: Die Qualität des Kaffees wird in allen Stufen verbessert.

Mitte der 1990er Jahre begann die dritte Kaffeewelle. US-amerikanische Kaffeeröstereien – primär sind hier Intelligentsia Coffee aus Chicago, Counter Culture aus Durham und Stumptown Coffee aus Portland zu nennen – haben die Third Wave Coffee Bewegung ausgelöst. Die drei genannten Röstereien zählen zu den bedeutendsten Pionieren der Third Wave Bewegung. Wir führen dir nachfolgend die unserer Meinung nach wichtigsten Punkte auf, für die Third Wave Coffee stehen:

ein gesteigertes Bewusstsein für die Beziehung zwischen Produzent und Konsument und damit einhergehend gezielte Reisen der Röstereien in die Ursprungsländer

höhere Qualität des Kaffees bedingt durch eine stetige Verbesserung aller Stufen in der Wertschöpfungskette (Anbau, Aufbereitung, Röstung, Zubereitung)

Third Wave Coffee hat den Anspruch, für Kaffee eine Genusskultur ähnlich wie für andere pflanzenbasierte Produkte wie Wein und Schokolade zu entwickeln

Direct Trade: Engagement für eine nachhaltige und partnerschaftliche Zusammenarbeit seitens der Röstereien mit den Kaffeeproduzenten in den Anbauländern

Single-Estate-Kaffees und Microlots aus einem kleinen Anbaugebiet, die von einer familiengeführten Farm oder Farmer-Gemeinschaft derselben Region stammen und Top-Qualitäten aufweisen

Transparenz: Kleine Spezialitäten-Röstereien veröffentlichen ihre Einkaufspreis für Rohkaffee für alle zugänglich im Internet (Transparent Trade Coffee ) und gründen Initiativen wie die kürzlich ins Leben gerufene Initiative “The Pledge”, um in der aktuellen Kaffeepreis-Krise ein Zeichen zu setzen und sich für bessere Handelsbeziehungen stark zu machen

Entwicklung eines Bewusstseins und der Wertschätzung für den nuancenreichen Geschmack, für die Sortenvielfalt und für die verschiedenen Kaffee-Anbauregionen

Renaissance des (reinen) Filterkaffees bzw. eine neue Liebe für Filterkaffee und damit einhergehend eine Sensibilisierung für das vielschichtigen Aromenspektrum von Kaffee

die Zubereitung von Kaffee wird bewusst zelebriert; man nimmt sich Zeit, eine perfekte Tasse Kaffee zuzubereiten

Alternative und traditionelle Zubereitungsmethoden wie French Press oder das händische Aufbrühen mit dem Hario V60 oder der Chemex stehen im Vordergrund

Kaffee und Espresso wird nach einem konkreten Rezept zubereitet: Es kommt eine Digital-Waage zum Einsatz, mit der man eine “brew-ration” bzw. “beverage-ratio” berechnen kann

Kaffee wird als sinnliches und auch optisches Genussmittel wahrgenommen und mit viel Liebe zum Detail zubereiten, was sich auch in der immer größer werdenden Fan-Community für Latte Art widerspiegelt

hellere Kaffeeröstungen, bei denen die Eigenheiten des jeweiligen Rohkaffees besser zur Geltung kommen, verdrängen die bitteren, dunklen Röstungen

fruchtige Aromen und angenehme Säuren stehen geschmacklich im Vordergrund

Kaffee wird in seiner reinsten Form “schwarz” getrunken ohne jegliche Zusätze wie Milch, Zucker, Sirup & Co.

Welche Rolle spielt der Barista in der Welt von Third Wave Coffee

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Während ein Barista in der zweiten Kaffeewelle jemand war, der lediglich eine Espressomaschine bedienen konnte, ist ein Barista der dritten Kaffeewelle eine Art Botschafter für exzellenten Kaffee. Ein Third Wave Barista konzentriert sich nicht nur darauf, wie Kaffee für Kunden so schnell wie möglich zubereitet werden kann. Bei Third Wave geht es darum, das Allerbeste aus der Kaffeebohne herauszuholen und sich so viel Mühe und Zeit wie nötig zu nehmen, um den Kunden eine möglichst perfekte Tasse Kaffee zu servieren. Ein Third Wave Barista kennt sich mit dem Produkt und den vielfältigen Zubereitungsmethoden bestens aus; er/sie will über sich hinauswachsen und Technik und Sensorik immer akribischer verfeinern.

Wie groß ist der Markt für Third Wave Coffee?

Nach wie vor gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Kapsel- und Padmaschinen-Anhängern und Menschen, die nach der “Geiz-ist-Geil-Mentalität” leben und niemals 6,80 € für 250 g direkt gehandelten Spezialitätenkaffee ausgeben werden. Die Masse trinkt weiterhin fertig gemahlenen billig Discounter-Kaffee und schüttet Unmengen an Zucker und Milch in die schwarze Plörre, um das bittere Getränk überhaupt trinken zu können.

Der Marktanteil von Kaffees nach dem Third-Wave-Modell ist mit ca. 5% also vergleichsweise gering. Dennoch stellen wir fest, dass diese Bewegung immer mehr Menschen begeistert. Third Wave Coffee ist in vielen Großstädten Deutschlands angekommen. Nicht nur, weil Third Wave Coffee einfach viel viel besser schmeckt, sondern vor allem auch, weil Third Wave Coffee die Welt ein Stückchen besser macht – die Kaffeebauern in den Anbauländern werden für ihre harte Arbeit in der Regel deutlich besser bezahlt im Rahmen von direkten und fairen Handelsbeziehungen, die kleinere Kaffeeröstereien initiieren.

Was kommt nach der Dritten Kaffeewelle? Die Vierte Kaffeewelle.

Third Wave Coffee ist kein Kaffee-Hype, der wieder abebbt. Die Branche wächst langsam, aber nachhaltig und befindet sich im stetigen Wandel. Deutlich erkennbar ist, dass sich die Branche in den letzten Jahren verändert. So scheint die Zeit der ultra hellen Röstungen mit extremen Fruchtsäuren sich dem Ende zuzuneigen.

Passend dazu ein Zitat von Tolga Daglum von der Spezialitäten-Rösterei onetake coffee aus dem aktuellen Crema Magazin (Jahrgang 14, Heft 58): “Als ich angefangen habe, war die Spezialitätenkaffeeszene ein kleiner trotziger Junge, der nur “Nein” gesagt hat. Dann sind wir in die Pubertät gekommen und mussten uns sehr stark von unseren Eltern abgrenzen und alles sehr hell und sauer rösten. Das musste nicht sein. Aber jetzt werden wir langsam erwachsen und pendeln uns wieder auf ein gesundes Niveau ein. Wir haben immer noch die hellen Sachen, aber die Röster haben gelernt, Entwicklungen in die Bohne zu bekommen, denn es muss nicht nur krass sauer schmecken. Wir sind wieder offen für kräftige Röstungen, weil sie einfach dazugehören.”

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Und auch die hippen Third-Wave-Cafés, die Zucker und Milch zum Filterkaffee – sogar mit einem Hinweis auf der Getränkekarte (s. Bild oben) – verbannt haben, werden sich wandeln: Hin zum Menschen, der völlig frei entscheiden kann, wie er seinen Kaffee trinken möchte.

Dazu ein Zitat aus dem Buch Kaffeeliebe von Britta Heithoff: “Wertschätzung (persönliche Vorlieben – alles geht, nichts muss!) statt Bevormundung (jede Art von Kaffeezubereitung und -genuss kann die richtige sein!), Miteinander (etwas von Barchefs und Baristi beim Kreieren von Signature Drinks oder über die Kaffeetheke hinweg zwischen Barista und Gast) und vor allem der Mensch als Genießer und damit als Maß aller Dinge stehen im Fokus der vierten Welle, die wir jetzt schon und auch mit diesem Buch feiern und lieben.”

Das Buch, an dem die roestbar Gründer Sandra Götting, Mario Joka und die mehrfache Deutsche Barista-Meisterin Erna Tosberg mitgewirkt haben, können wir dir wärmstens empfehlen. Hier findest du den Link zum Buch bei amazon.de*

In diesem Sinne: Lass dir deinen Kaffee schmecken!

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Über die Autorin

Foto von Miri Miri’s Website:
Erstellt am: 12. Juli 2019

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